Preface
Ich muss erwähnen, dass ich nach „Death Proof“ echt skeptisch war, ob Tarantino noch in der Lage ist gute Filme zu produzieren, oder ob er seinen Zenit überschritten hat. Dann habe ich aber so viele Kritiken zu seinem neuem Film gelesen – gute wie schlechte – dass ich neugierig wurde, denn das, was da angekündigt wurde, versprach spannend zu werden… also ließ ich mich ein auf „…once upon a time in Nazi-occupied France…“
I. Die Handlung
Der Film ist – wen mag es überraschen – aufgeteilt in 5 Akte, ganz klassisch also. Wenn es mich nicht täuscht, werden sie dieses Mal sogar chronologisch abgehandelt, alles andere wäre auch unnötig, bzw. würde keinen Sinn ergeben. Über den Inhalt möchte ich nicht viel sagen, es ist eine Rache-Geschichte (von zwei Seiten aus gesehen) und es ist ein Film über Filme, mit vielen vielen Filmzitaten.
Ungewöhnlich, dass ich mich trotz der 2,5 Stunden von der ersten bis zur letzten Minute prächtig unterhalten gefühlt habe – die Handlung und die Dialoge waren sogar an vielen Stellen richtig witzig und ich habe laut losgelacht, was mir selbst bei ausgewiesenen Komödien selten passiert. Überraschend, aber gut. Auch wenn im Vorfeld von „Längen“ geschrieben wurde, habe ich sie nicht so empfunden
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(mir war von vorneherein klar, dass der 1. Akt eine Sergio-Leone-Spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-Hommage sein würde, aber hier zieht sich der Leone deutlich in die Länge, wo Tarantino es schafft Spannung aufzubauen und Neugierde zu wecken).
Nichts desto trotz gibt es wiederum auch tragische Momente und hier hat man das Gefühl, das der Regisseur dazugelernt hat. Bravo, Tarantino.
Das Drehbuch, Handlung und Dialoge, auch die handelnden Figuren sind in sich schlüssig. Im Gegensatz zu „Death Proof“ hatte ich hier wieder das Gefühl es mit glaubwürdigen Figuren zutun zu haben.
II. Die Schauspieler
Die Besetzung ist so treffend, wie sie es nicht hätte besser sein können. Einige Beispiele:
Ich hätte nicht gedacht, dass Bruno Ganz’ Hitler-Darstellung zu übertreffen wäre, aber Martin Wuttke gelingt das.
Christopher Walz ist grandios, das kann man nicht beschreiben, sondern muss man gesehen haben. Er stellt Ledger’s Leistung als Joker in den Schatten!
Til Schweiger ist nicht der weltbeste Schauspieler, aber er ist hier einfach gut besetzt (wie bezeichnend, dass er in der Spiel-Runde derjenige ist, der King Kong gewählt hat!)
Ein wunderschönes Wiedersehen gab es mit Julie Dreyfuss.
Eigentlich mag ich Diane Kruger nicht, aber hier hat sie mich überzeugt.
Vorab war ich skeptisch was die Besetzung von Eli Roth betrifft, denn dass ein Regisseur nicht zwangsläufig schauspielern kann, sieht man bei Tarantino in seinem „Der Mann aus Hollywood“, aber er hat seine Sache gut gemacht und ist zudem alles andere als hässlich.
Daniel Brühl erledigt seine Aufgabe mehr als ordentlich und hat mich gegen Ende mit seinem zweiten Gesicht echt überrascht.
Brad Pitt hat schon besser gespielt, ich musstemich anfangs an seine Figur gewöhnen, er ist über den Film aber wider Erwarten trotzdem nicht negativ aufgefallen.
III. Positiv
Da mir der Film über die Maßen gut gefallen hat, beschränke ich mich auf weniges.
Die Musik ist wieder mal grandios gewählt (eine Ausnahme siehe unten).
Die weißen Pfeile, die einige Personen identifizieren – beim ersten habe ich mich schepp gelacht. Die Abbildung der Gedanken/Gefühle einiger Figuren in Form von Einspielern ist köstlich!
Kostüme und Kulissen – Man, ich habe selten so was überzeugendes gesehen, wenn es um „Historische Ausstattung“ geht. Einfach phantastisch, ein Augenschmaus (auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich mit Uniformen und Orden nicht auskenne, das in diesem Aspekt also nicht beurteilen kann).
Der Humor ist einfach köstlich – kein Hau-Drauf-Schenkelklopfer-Humor und trotzdem zum laut loslachen.
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Und ich finde es echt gut, dass fast alle Hauptfiguren am Ende tot sind
IV. Negativ
Ein einziges Mal fand ich die Musik unpassend gewählt, und zwar in der Szene, in der die Basterds zum ersten Mal in Aktion zu sehen sind. Hier wird Morricone gespielt, und zwar – zumindest am Anfang – das gleiche Stück, wie bei „Kill Bill“ in der „The Origin of O-Ren“-Szene. Das fand ich unpassend, weil es mich an O-Ren erinnerte, und ich hätte mir ein anderes Stück gewünscht. Ohne diesen Bezug herzustellen ist die Inszenierung der Szene aber geil
Das Special-Make-up hat mir im Bereich der Narben nicht überzeugend genug gewirkt
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(Aldo Ray’s Hals; das Stirn-Hakenkreuz)
und ist mir gerade bei Nahaufnahmen störend aufgefallen.
V. Der Film innerhalb des Tarantino’schen Schaffen
Das ist jetzt meine persönliche Meinung, und ich hätte nicht gedacht, dass das mal passieren würde, aber mit diesem Film übertrifft Tarantino „Kill Bill“, der bis dato mein Tarantino-Favorit war. Dieser schaut aber gegen die Basterds aus wie ein netter Kinderfilm, dem an Tiefe fehlt.
Natürlich gibt es wieder Selbstbezüge, das erwartet man auch, aber sie wurden in abgewandelter Form und somit sehr sensibel eingesetzt. Zum Beispiel wurde der obligatorische „Trunk-Shot“ in abgewandelter Form eingesetzt, der Fußfetisch tritt auf, aber nicht an unnötigen Stellen wie bei „Death Proof“, es gibt Frauen-Gesicht-Close-ups, etc.
Ein Wort noch zur Brutalität: Die wenigsten Szenen sind tatsächlich offensichtlich brutal, auch wenn die FSK 16 gerechtfertigt ist. Ein paar Szenen, die die Schmerzgrenze des Zuschauers austesten gibt es aber doch
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(Skalpieren, Hakenkreuz in die Stirn ritzen, Finger in Wunden legen)
, das erwartet man auch. Die letzte Szene überschritt meine Schmerzgrenze, war aber dennoch nicht überflüssig – auch wenn es beim Zuschauen weh tat, war das was man sieht richtig und notwendig.
Anmerkung außer Konkurrenz
Mir gefällt es sehr, dass der Regisseur so viele Fremdsprachen wie möglich einsetzt und die sind – im Gegensatz zu „Illuminati“ auch in jedem Fall überzeugend. Begrüßt hätte ich es hingegen, wenn mein Kino die Originalfassung gezeigt hätte, damit der Deutsch-Anteil nicht so hoch, sondern nur bei den Nazis zu hören ist.
Fazit
9 ¾ von 10 Krautsandwiches auf Bockwurstparties